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Die Energie-Session?

Die Energie-Session?

 

Ein Rückblick auf die Energie-Geschäfte der Herbstsession 2022

Seit dem Angriff Russlands gegen die Ukraine sind der Energiemangel und dessen Auswirkungen das grosse politische Thema. So auch in der diesjährigen Herbstsession. Wir werfen einen Blick auf die Daten und berichten über einige Besonderheiten, Auffälligkeiten und Spezifika im Verhalten der Fraktionen.

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 haben die eingereichten politischen Geschäfte zur Thematik Energie sprunghaft zugenommen. In der untenstehenden Grafik wird die Zunahme der Energie-Geschäfte im Vergleich zu 2021 deutlich sichtbar. 17% aller Geschäfte, die im Jahr 2022 bis zur Herbstsession eingereicht wurden, betreffen das Thema Energie. In der Sondersession im Mai sowie in der Herbstsession betrug der Anteil aller Geschäfte mit Energie-Fokus sogar mehr als ein Fünftel, was im Gegensatz zum Vorjahr einem Wachstum von 12.6 bzw. 15.8 Prozentpunkten entspricht. Das zeigt deutlich die erhöhte Gewichtung der Energiepolitik auf nationaler Ebene. 

Die Grafik zeigt den im Zeitraum 2021 und 2022 die jeweiligen Nationalrat Sessionen auf. Es ist ersichtlich, wie im Verlaufe vom 2022 nicht nur mehr Geschäfte mit Energie Fokus eröffnet wurden, sondern anhand der Prozentzahlen erkennbar, dass das Thema mehr Platz im Nationalrat einnimmt.

Leseprobe: In Herbstsession 2022 wurden total 696 Geschäfte eröffnet. 153 Geschäfte davon fallen unter das Thema ‚Energie‘. Das heisst, Energiegeschäfte machten total 22% aller Geschäfte in der Herbstsession 2022 aus.

Energie wird zu einem Kernthema über alle Fraktionen hinweg

Im Hinblick auf die eingereichten Geschäfte nach Thema pro Fraktion wird deutlich, dass der Anstieg auf die SVP-, die SP- und die Mitte-Fraktion zurückzuführen ist. Die SVP hat insgesamt mehr als doppelt so viele (90) Energie-Geschäfte eingereicht wie noch im letzten Jahr (37). Bei der SP sind es prozentual sogar noch mehr; mit einer Zunahme von 24 auf 86 Geschäfte. Zwar liegt die Grüne Fraktion auf dem dritten Platz gemäss Anzahl eröffneter Energie-Geschäfte (75), im 2021 war sie jedoch noch auf Platz eins (37) und somit auf Augenhöhe mit der SVP. Obschon Energie ein Kernthema der Grünen wäre, konnte sich die Fraktion in diesem Jahr, zumindest was die Quantität der Geschäfte anbelangt, nicht zuvorderst positionieren. Eine ähnliche Entwicklung ist bei der GLP-Fraktion feststellbar.

In der Grafik sind die Anzahl eröffneten Energie-Geschäft von allen 2021/2022 Sessionen bis und mit der Herbstsession dargestellt. Zusätzliche ist die Parteibeteiligung ersichtlich. Sprich, wie viele Geschäfte wurden von welcher Partei eröffnet.

Die Umwelt verliert an Relevanz in der Energiepolitik

Interessant ist auch der Blick auf die Kombination von Themen mit den Energie-Geschäften. Geschäfte werden meist mehr als einem Thema zugewiesen. Zu erwarten wäre, und das hat die Vergangenheit auch gezeigt, dass Energie stark mit dem Thema Umwelt korreliert. Doch spielt die Umwelt im Jahr 2022 gar nicht mehr so eine grosse Rolle, wenn Energie im Parlament diskutiert wird. Neu findet man die meisten Überschneidungen mit dem Thema Energie bei den Themen Sicherheitspolitik, Wirtschaft und internationale Politik. In 2021 war die Umwelt noch das grosse Thema bezüglich der Energiegeschäfte. Relevante parteiübergreifende Themenbereiche (von Energie und Umwelt) von 2021 beinhalteten die nachhaltige Energie (mit Fokus auf Solar und Wasserkraft) und deren Wirtschaftlichkeit, die Zukunft der Kernkraftenergie oder das abgelehnte CO2-Gesetz (17.071). 

Es wäre falsch zu sagen, dass diese Themen im Jahr 2022 nicht mehr auf der politischen Agenda der Schweizer Parteien stünden. Aber es wird deutlich – die Zunahme der Debatten zum Thema Energie hängt nicht mit der Sorge um die Umwelt zusammen, sondern mit der Sorge um die Entwicklung der Energieversorgung.

 Es hätte auch sein können, dass der Umweltaspekt beispielsweise rund um die erneuerbaren Energien in einer Situation wie jetzt mit einer möglichen Energiekrise an Relevanz gewinnt. Denn so könnte die Schweiz ihre Abhängigkeit von anderen Ländern, insbesondere von undemokratischen Regimen, reduzieren. Im Hinblick auf die vorangehende “Grünen Welle” der letzten Jahre, also dem wachsenden Anteil an grünen, grünliberalen und in Teilen auch an SP-Parlamentssitzen, der Klimajugend und einem erhöhten internationalen Fokus (z.B. die Klimakonferenz Glasgow COP 26), wäre dieses Szenario ebenfalls möglich gewesen. Womöglich kommt diese Reaktion aber auch ein wenig verzögert und sobald der Winter 2022 überstanden ist, werden die Umwelt-Energie-Themen mit neuen Argumenten für eine erhöhte Energiesicherheit wieder aufgenommen. 

Zum Nachdenken: Policy Making for the greater good

In der Schweizer Politik ist bei den Energie-Themen der Einfluss von Lobbying gut erkennbar. Dies führt bisweilen zu einer thematisch relativ einseitigen Behandlung, getrieben von Partikularinteressen. Globale Themen wie der Klimawandel oder Flüchtlingskrisen (sogenannte Global Public Good; Kollektivgüter, die alle Menschen auf der Welt betreffen), finden kaum den Weg auf die politische Bühne. Dies wäre insbesondere jetzt mit der Klimaentwicklung und dem erhöhten Druck auf die Energieproduktion besonders wichtig. Etwa, wenn die SVP fordert: 22.3026 Umweltressourcen schonen, Zuwanderung regulieren, – dann macht dies – aus umweltschonender Perspektive – relativ wenig Sinn, wenn die Schweiz die Zuwanderung reguliert. Denn Menschen erhöhen den globalen CO2-Ausstoss sowieso, egal ob sie sich in der Schweiz oder im Ausland befinden.

Die Mitte-Fraktion stellt sich dieser Diskussion, indem sie das sogenannte Verbandsbeschwerderecht in Frage stellt (mit der Pa-Iv 22.414 Errichtung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Einschränkung des Beschwerderechts der Umweltorganisationen). Dieses Instrument ist ein zweischneidiges Schwert. Bei grossen Projekten wie der Grimsel-Staumauer oder Gondo Solar (FDP-Motion 22.3899 Stromproduktionsanlagen für erneuerbare Energien sofort und verpflichtend umsetzen), werden in der notwendigen Güterabwägung der Umweltschutz den Energiebedürfnissen der Bevölkerung und Wirtschaft untergeordnet. Andererseits gilt das Recht – zumal in direktdemokratischen Systemen – für alle Stakeholder, sich jederzeit und rechtmässig am politischen Prozess zu beteiligen. Im Moment sind beide Geschäfte noch hängig. Pa-Iv 22.414 wurde der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie NR übergeben und Motion 22.3899 wartet darauf, im Rat behandelt zu werden. 

 

Caveat! Die Einschränkungen zur Analyse

Natürlich ist die Anzahl der eröffneten Geschäfte nur bedingt aussagekräftig und nicht ausreichend für eine Trendanalyse, denn sie zeigen lediglich die Quantität der Vorstösse. Über die Qualität, sprich den Inhalt und die damit verbundene politische Relevanz können daraus keine Schlüsse gezogen werden. So sind in der Gesamtzahl sämtliche Geschäftstypen wie Fragen, Motionen, Interpellationen etc. inkludiert.

Zusätzlich sind die Daten an die subjektive und händische Zuweisung der Geschäfte durch die Bundesverwaltung zum jeweiligen Thema gebunden. Insgesamt gibt es 29 Themen, mit denen Geschäfte verschlagwortet werden. Wir sehen allerdings Beispiele, wo zu vielschichtigen Geschäften nur ein Schlagwort zugewiesen wird, bei anderen Geschäften sind dies bis zu vier oder fünf Verschlagwortungen. Trotz dieser Limitationen dienen sie als Indikator für eine erhöhte Sensibilität unserer PolitikerInnen zum Thema Energie.

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